Djindjic, Zoran (1998) Serbiens Zukunft in Europa = Serbia´s Future in Europe. ZEI Discussion Papers: 1998, C 10. [Discussion Paper]
Abstract
[From the Introduction]. Auf dem Balkan gibt es einen bitteren Scherz, der besagt: Nimm die finsterste von allen deinen Prognosen, und du kannst sicher sein, daß sie in Erfüllung geht. Es ist kein Problem, bei uns ein Prophet zu sein, wenn man nur pessimistisch genug gestimmt ist. Leider haben sich auch manche meiner Prognosen über die Zukunft der Nation erfüllt. Ich hoffe aber, daß die Zeit der pessimistischen Prognosen hinter uns liegt und daß auch unser Land den Weg nach Europa findet. Wir haben es in dieser Region seit Jahrhunderten mit einem Integrationsproblem zu tun, welches ein allgemeines Problem Südosteuropas in diesem Jahrhundert ist: Das Desintegrationsproblem, eine treibende Kraft, die nicht nur für die politischen, sondern auch die religiösen, wirtschaftlichen und sonstigen Entwicklungen beeinflußt hat. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gab es in diesem Raum mehrere Reiche - was sehr spezifisch ist für das moderne Europa -, übernationale Reiche, die nicht als Nationalstaaten gebildet waren: das türkische Reich und die KuK-Monarchie. In diesen Reichen gab es innere Spannungen, und ihr Zerfall rührt von diesen Spannungen her. Man könnte stundenlang über diese Reiche reden, über das Verhältnis zwischen Mehrheiten und Minderheiten, über Nationalitäten, über widersprüchliche Mentalitäten von Volksgruppen, die sich gleichzeitig als Mehrheit und Minderheit empfunden hatten und sowohl die Arroganz einer Mehrheit besaßen als auch Eigenschaften von benachteiligten Minderheiten, die Kompromißbereitschaft nicht kennen. In dieser Region haben wir auch jetzt Völker, die sich als Mehrheit empfinden und als Mehrheit handeln, d. h. imperial und mit dem Recht, das zu tun, was sie wollen, sich gleichzeitig aber auch als eine Minderheit sehen, d. h. benachteiligt, gefährdet, von außen unter Druck gesetzt. Es ist schwierig, dafür eine Form des Zusammenlebens zu finden. Es würde viel Zeit beanspruchen, detailliert über diese Mentalitätengeschichte zu sprechen.
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