Nicholls, Anthony J. (1998) Die deutsch-britischen Beziehungen: Ein hoffnungsloser Fall? = The German-British relationship: a Hopeless Case? ZEI Discussion Papers: 1998, C 16. [Discussion Paper]
Abstract
[Introduction]. Der Titel dieses Beitrags ist bewußt provozierend gewählt. Selbstverständlich bin ich nicht der Meinung, daß das Verhältnis zwischen Deutschland und Großbritannien so besonders schlecht ist. Man kann aber schon etwas enttäuscht darüber sein, daß das Verhältnis über die letzten Jahre nicht wärmer und ergiebiger und die Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Ländern, die so viele gemeinsame Interessen haben, nicht viel mehr zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Dieser Beitrag spiegelt deswegen manche vage Beunruhigungen wider, die seit der deutschen Wiedervereinigung und seit dem Ende des Kalten Krieges mit Hinblick auf die deutschbritischen Beziehungen festgestellt werden konnten. Zu Beginn sei aber erwähnt, daß ich mich eigentlich nicht als ein Opfer des Pessimismus betrachten würde, war ich doch immer eher dazu geneigt, die Lage der gegenseitigen Beziehungen optimistisch zu beurteilen. Im folgenden beschäftige ich mich mit drei Thesen. Keine davon ist besonders neu, aber alle drei zusammen sind meiner Meinung nach nicht ohne Bedeutung für die gemeinsame Zukunft der Deutschen und der Briten. Punkt eins betrifft die öffentliche Meinung in Großbritannien und ihre Manipulierung durch euroskeptische Medien. Alte Befürchtungen gegenüber Deutschland werden aufgewärmt, um das Volk gegen weitere Schritte im europäischen Integrationsprozeß zu mobilisieren. Diese Taktik ist nicht gerade neu, wurde aber weitaus häufiger angewandt, nachdem Deutschland wiedervereinigt und der Kalte Krieg beendet war. Punkt zwei ist die einfache Tatsachenfeststellung, daß es für Befürchtungen über ein ungünstiges bilaterales Verhältnis oder gar Meinungsverschieden-Anthony J. Nicholls heiten zwischen Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland überhaupt keine Gründe gibt. In dieser Hinsicht kann man die jetzige Lage keinesfalls mit der Zeit vor dem ersten Weltkrieg vergleichen, vom Dritten Reich gar nicht erst zu sprechen. Der dritte Punkt dagegen ist wirklich schwierig, da er über die eigentlichen deutsch-britischen Beziehungen hinausgeht: Es geht vielmehr um die unterschiedliche Bewertung der Europäischen Union in Großbritannien und in manchen anderen europäischen Ländern, vor allem in den Urmitgliedern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. In Großbritannien hat es immer eine weitaus größere Bereitschaft gegeben, die Ziele des europäischen Unternehmens kritisch unter die Lupe zu nehmen, als dies auf dem Festland der Fall war. Hinzu kommt die Tatsache, daß Europapolitik seit 1963 oft als Ergebnis einer deutsch-französischen Achse zu betrachten ist, eine Tatsache, die nicht gerade geeignet ist, Vertrauen oder Begeisterung in London zu erwecken.
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